Wegen der gemeinsamen Sprache gab es seit jeher viele Ehen zwischen Elsässern und anderen Germanen. Bis zum Krieg von 1870 wurden die Elsässer als die Deutschen in Frankreich betrachtet. Neuankömmlinge integrierten sich in die Bevölkerung, indem sie eine Familie gründeten. In den großen Städten gab es bis zum Krieg von 1870 zwischen 5 und 15 % Mischehen. Während der Zeit des Reichslands waren es 20 %. Wegen der Sprache waren Ehen von Elsässern mit Französischsprachigen die Ausnahme.
Der Krieg von 1870 bringt alles durcheinander,
Für den Roman national werden die Elsässer auf einen Schlag zu den Franzosen in Deutschland, die unter dem preußischen Stiefel leben.
In Wirklichkeit wurden die in Frankreich lebenden Elsässer, genau wie die Deutschen, von der Bevölkerung regelmäßig als « Boches » beschimpft. Im Jahr 1918 verbot ein Gesetz, Elsässer als Boches zu bezeichnen (nicht jedoch Deutsche).
November 1918: Militärische Besetzung des Elsass
Die Vornamen aller lebenden und toten Einwohner des Elsass werden in den amtlichen Akten und Standesamtsregistern französisiert. Frankreich will das Elsass um jeden Preis in Besitz nehmen, nicht aber seine Bewohner, die nach ihrer Herkunft sortiert werden.
1918: Rassentrennung – Recht des Blutes, Absurdität des Systems
- Elsässer, von denen sich nach der Kriegserklärung von 1870 keine deutschen Vorfahren im Elsass niedergelassen haben, gelten als Stammfranzosen. Im Jahr 1918 wurden sie automatisch zu Franzosen.
- Elsässer, von denen sich nur ein deutscher Vorfahre nach der Kriegserklärung von 1870 im Elsass niedergelassen hat, gelten als Deutsche. Im Jahr 1918 wurden sie zu Ausländern in ihrem eigenen Land.
- Deutsche, die sich vor der Kriegserklärung von 1870 im Elsass niedergelassen haben, gelten als gebürtige Franzosen. Sie werden automatisch zu Franzosen.
- Deutsche, die sich nach der Kriegserklärung von 1870 im Elsass niedergelassen haben, sowie ihre Nachkommen gelten als Altdeutsche, ehemalige Feinde und laufen Gefahr, mit ihren Familien vertrieben zu werden. Ab 1920 können diejenigen, die nicht ausgewiesen werden, beim Vogteigericht (Tribunal de baillage) die französische Staatsbürgerschaft beantragen.
- Kinder, die aus einem gemischten Paar stammen, können nicht französisch sein.
Ausschluss von der Staatsangehörigkeit
Elsässerinnen und Elsässer, die eine Person mit deutscher Staatsangehörigkeit heiraten, wird automatisch die französische Staatsangehörigkeit entzogen. Im Falle der Einbürgerung ihrer Ehepartner sind sie berechtigt, die Wiedereinbürgerung in die französische Staatsangehörigkeit zu beantragen.
Saga einer elsässischen Familie
Alles ist wahrheitsgemäß, außer den Familiennamen, die von Diskretion geändert wurden.
Rüdiger Schwob, 1860 in Sachsen geboren, leistete seinen Militärdienst im Elsass ab. Er gilt als Altdeutscher. Rüdiger heiratete 1885 eine Elsässerin mit badischen Wurzeln. Sein Schwiegervater hingegen, der sich in den 1860er Jahren im Elsass niedergelassen hatte, wird als ethnischer Franzose betrachtet.
Dezember 1920: Einforderung der französischen Staatsbürgerschaft beim Vogteigericht.
Der Antrag wird von Rüdiger Schwob, der in Deutschland geboren wurde, für sich & seine minderjährigen, im Elsass geborenen Kinder gestellt. Rüdiger ist verwitwet.
März 1921: Antrag auf eine Leumundsprüfung der Familie Schwob.
Brief des Unterpräfekten an den Sonderkommissar der Polizei: « Ich bitte Sie, mich über die Gefühle, die Einstellung und die Situation der Antragsteller zu informieren und mir Ihre Meinung über die Zweckmäßigkeit ihrer Einbürgerung mitzuteilen ».
April 1922: Untersuchungsbericht und Antwort des Sonderkommissars der Polizei.
Nach einer Untersuchung in der Nachbarschaft und an den Arbeitsplätzen wird festgestellt, dass die Familie Schwob keine antifranzösischen Gefühle hat. Die französische Staatsbürgerschaft kann gewährt werden.
März 1924: Heirat von Rüdiger Schwob mit der Elsässerin Maria Elsasserin
Durch ihre Heirat mit einem Deutschen verliert Maria automatisch die französische Staatsbürgerschaft und wird wieder deutsche Staatsbürgerin.
Dezember 1924: Einbürgerung von Rüdiger Schwob
Nur Rüdiger erhält die französische Staatsbürgerschaft. Seine Kinder und Enkelkinder werden 1927 per Dekret eingebürgert.
Februar 1925: Antrag von Maria Elsasserin auf Wiedereinbürgerung in die französische Staatsbürgerschaft
Februar 1926: Einbürgerung von Maria Elsasserin nach positiver Stellungnahme des Präfekten.
Stellungnahme des Präfekten: Die Antragstellerin ist französischer Abstammung. Von Rechts wegen wieder in die französische Staatsangehörigkeit aufgenommen, hat diese Eigenschaft durch die Heirat verloren, die sie 1924 mit dem deutschen Untertan Schwob Roger eingegangen ist. Dieser ist mittlerweile durch Einbürgerung Franzose geworden, während die Klägerin weiterhin Deutsche ist. Unter diesen Umständen und da gegen die Petentin nichts Nachteiliges vorgebracht werden kann, befürworte ich ihren Antrag auf Wiedereinbürgerung und schlage vor, ihr einen Erlass von 19/20 der Siegelgebühren zu gewähren).
10 August 1927: Einbürgerung per Dekret von Elsässern und Moselanern, die aus gemischten Paaren stammen
Diese Einbürgerungen sind kein großzügiger Akt. Die Regierung stellte fest, dass die Jungen dem Militärdienst entgingen.
Französisch, ja aber!
1927 wurden alle Kinder und Enkelkinder von Roger Schwob als Franzosen eingebürgert. Ihr ganzes Leben lang müssen sie bei der Erneuerung offizieller Dokumente ihre Einbürgerungsurkunde vorlegen.
