8/12/1918: Besuch Poincarés in Straßburg

Die Artikel, die in der französischen Presse über den Besuch von Präsident Poincaré in Straßburg am 8. Dezember 1918 erschienen, waren aufgrund der Zensur nur wortwörtliche Kopien der Meldungen im  “Journal officiel de la République française „ (Amtsblatt der Französischen Republik).

Ein Journalist der Freiburger Zeitung, der bei Poincarés Besuch anwesend war, erzählt eine andere Version der Ereignisse:

Der Empfang Poincarés in Straßburg, der von französische Presse als jubelnde Hingabe der elsässischen Bevölkerung an Frankreich ausgelegt wurde, war in Wirklichkeit nur eine zur Täuschung der Außenstehende geschickt inszenierte Maskerade. Bekanntlich wurde die große Beteiligung von jungend Leute in elsässischer Tracht als ein besonderer Beweis für die Zustimmung der Landbevölkerung für den Anschluss an Frankreich erwähnt. Wie wenig die Bauerbevölkerung an dem Empfang und den Feierlichkeiten in Wirklichkeit beteiligt war, zeigt die verbürgte Nachricht, dass nur 6 Bauerndörfer durch Abordnungen in Straßburg vertreten waren und sich dazu auch nur deshalb hergegeben hatten, weil sie beim Einzug der französischen Truppen nicht geflaggt hatten und nun Vergeltungsmaßnahmen seitens der französischen Regierung befürchteten. Das Geld spielte natürlich auch eine Rolle. Jedes Bauernmädchen erhielt 10 M. den Tag; im übrigen stammten die Mädchen, die in oft ganz lächerlichen unechten Phantasietrachten dass elsässische Landvolk vorstellen sollten, entweder aus den Bürgerkreisen der Stadt Straßburg oder den Städten Frankreichs. Wie man offen erzählt, sind zu diesem zweck 500 französischen Mädchen aus Frankreich herbeigeholt und kostümiert worden, und dazu schreibt die französische Presse : Le Plébiscite le voilà (Plebiszit hier ist es)— Dass die Französen es nötig haben, mit solcher Mitteln zu arbeiten, zeigt erneut, dass die Stimmung der Volksmehrheit im Elsaß keineswegs auf Seiten Frankreichs steht und dass jede Regelung der politischen Verhältnisse des Landes ohne vorheriges Plebiszit eine unerhörte Vergewaltigung der Bevölkerung bedeuten wurde.

Freiburger Zeitung – 29. Dezember 1918


Der Unterschied zwischen Elsässerinnen, die die traditionelle Tracht tragen, und Frauen, die sich als Elsässerinnen verkleiden, ist eklatant: schlecht gebundene Kopfbedeckungen, zu kurze Kleider, ausgefallene Schuhe.
Die Dichte einer Menschenmenge hat nichts mit einem angeblich patriotischen Eifer zu tun. Es kann sich auch um Verblüffung und Neugierde handeln. Dieses Foto wurde in Mainz aufgenommen.

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